Das Aachener Stadtarchiv stellt regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats vor. Jetzt ist das Archivale des Monats ein Plakat aus dem Jahr 1977 von Klaus Paier für das Männerfest der „Aachener Printenschwestern“. (Wir berichten in Auszügen, was das Stadtarchiv zu den Vorgängen von 1977 mitteilt.)
Homosexualität zwischen Männern war von 1871 und 1994 in Deutschland nach Paragraph 175 StGB strafbar und wurde in unterschiedlicher Intensität juristisch verfolgt – während der NS-Zeit bis hin zur Inhaftierung und Ermordung in Konzentrationslagern. Die mangelnde Aufarbeitung und fehlende Würdigung der Opfer führte in der frühen Bundesrepublik zu einer Situation, die ein Aachener Aktivist der Schwulen-Bewegung rückblickend als „Friedhofsruhe“ beschrieb.
Ein Spielfilm verändert alles
Im Zuge der gesellschaftlichen Umbrüche der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre entstanden in zahlreichen deutschen Städten, so auch in Aachen, schwul-lesbische Aktionsgruppen. Auslöser in Aachen war die Aufführung des Spielfilms „Nicht der Homosexuelle ist pervers . . .“ von Rosa von Praunheim, der im Juni 1972 von Kölner Aktivisten an der RWTH Aachen gezeigt wurde.
Die Aachener Gruppe gab sich den Namen „Gesellschaft für Sexualreform“. Sie organisierte kulturelle und gesellige Veranstaltungen, trat aufklärerisch in die Öffentlichkeitsarbeit ein und kämpfte politisch für die Abschaffung des Paragraphen 175. Dabei erlebte sie neben Zuspruch auch Ablehnung. Als die Stadt Aachen einen Informationsstand der Gruppe untersagte, kam es 1976/77 zu einem Rechtsstreit in mehreren Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht.
Eine erste größere Veranstaltung war das „Männerfest“: „Zusammen mit Männern aus den Aachener Männergruppen (den Männern also, die nicht mehr nach der althergebrachten Rollenverteilung ‚Harter Macker, süßes Frauchen‘ leben wollen) organisierten wir einen schönen langen Abend in einem Kellergewölbe. Es gab Malwände, Schminktisch, Fummelstände (Wie kommt der bärtige Mann in das rosa Negligé?), Lieder, Selbstdarstellungen und ein kleines Theaterstück über das Verhältnis von Männern zu ihrem Körper und ihrer Sexualität.“
Eine nichtbinäre Person
Ganz im Sinne der „Printenschwestern“ zeigt Paier auf dem Plakat eine elegante, selbstbewusste, nichtbinäre Person, die durch Kleidung und Schminke gleichwertig als männlich und weiblich gelesen werden kann. Er/sie steht vor einem Fenster voller Sonnenstrahlen – ein Sinnbild für Optimismus.
Quellen: Stadtarchiv Aachen, Sammlung Zivilgesellschaft, SLG 117-5007. Das Zitat stammt aus dem Reader: Materialien zur Geschichte der Aachener Schwulengruppen seit 1972, Verfasser unbekannt, Stadtarchiv Aachen, SLG 117-146.