Jetzt mit Stellungnahme des Autonomen Zentrums
800 Rechtsradikale wollten gestern, am Samstag, Aachen einen Besuch abstatten. Genauer: Sie wollten eine Veranstaltung in Bahnhofsnähe stören, wo es eine Party von und für Queer-Personen geben sollte. 100 bis 120 bedrohlich aussehende Neonazis werden es gewesen sein, die tatsächlich nach Aachen kamen bzw. in Aachen leben. Viel weniger als gerüchteweise angekündigt, doch für Aachen immer noch eine Menge.
Sie kamen nachmittags am Bahnhof Rothe Erde an, quasi „empfangen“ von mehreren Hundert Gegendemonstrant*innen. Ferhat Sentürk, eine verlorene und desperate Persönlichkeit, ehemals Mitglied der AfD, reiste über den Reichsweg an. Der Mann war der Veranstalter des rechten Aufzugs, er kommt aus Aachen. An seinem Gesicht und an den Gesichtern seiner Kumpane erkennt man die Spuren von biografischen Katastrophen. Und: Man möchte ihnen – auch einzeln – nicht im Dunkeln begegnen.


Die Polizei war massiv präsent. Die jungen Beamtinnen und Beamten verdienen nicht viel Geld, üben einen schweren Beruf aus und gleichen soziale Defizite aus, die sie weder zu verantworten haben noch lösen können. In Aachen trennten sie Rechtsradikale und Gegendemonstranten, schlugen aber über die Maßen heftig zu, als sich auf dem Adalbertsteinweg (etwa auf Höhe der Elsaßstraße) Autonome auf die Straße setzten, Barrikaden bildeten und so den Neonazis den Weg versperrten. Die gelangten schließlich – über Umwege – gegen 20 Uhr auf den Bahnhof-Vorplatz, wurden in Polizeibegleitung in einen Zug gesetzt und abtransportiert.
Die Autonomen wurden ebenfalls abtransportiert (die Blockaden wurden „geräumt“, wie die Polizei mitteilt). Ein Blockierer teilte mit: mehrere mussten bis 22.50 Uhr in Polizeigewahrsam in einem Polizeikessel auf der Straße bleiben. Berichte und Fotos (in großer Zahl) über das Ereignis finden sich im Internet, bei Facebook, in der Aachener Zeitung und bei YouTube. s. dazu auch Polizeibericht. Um Missverständnisse auszuräumen, hier nochmal der Hinweis: Es gab einen Kessel, aber keine Festnahmen.

Es ist schön, in einer Stadt zu leben, die Besuche von Neonazis nicht hinnimmt. Der Widerstand – mit den Barrikaden – war vom Feinsten. Bestimmt waren es am Ende rund um den Hauptbahnhof 8000 Menschen, darunter auch Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen.
Dieser Widerstand ist leider nötig. Gibt es ihn nicht, dann haben wir in Aachen bald Verhältnisse wie im Osten der Republik: Nazi-Aufmärsche am laufenden Band. Es ist beruhigend, dass die Gegendemos (8 waren angemeldet) viel größer waren als angekündigt.
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Stellungnahme des Autonomen Zentrums Aachen zum Demonstrationstag, Samstag, 18. Januar, 2025. Wörtlich wird mitgeteilt:
Im Blick auf den vergangenen Demonstrationstag überwiegt die Dankbarkeit. Durch die letzten Tage und Wochen im Vorfeld der „WTF! – die Tuntenshow“ und auch des Naziaufmarsches, der unsere Besucher*innen gefährdete, hat uns eine Welle an Unterstützung und Zuspruch von vielen Seiten getragen – durch eine Zeit, die uns viel abverlangte. Das alles liegt hinter uns; wir haben diesen Angriff überstanden. Und auch, wenn wir uns sicher sind, dass der Nächste kommt:
Wir sind unglaublich froh und glücklich über die Solidarität, die wir vergangenen Samstag erfahren durften. Wir möchten uns bedanken für die vielen Tausenden Gegendemonstrant*innen, die sich den Faschist*innen in den Weg stellten und ein gewaltiges Zeichen setzten. Kaum eine Straße weit konnten die Rechtsextremist*innen ungestört laufen. Eine Stadt, die sich so geeint gegen Faschist*innen wehrt und vor allem auch unseren Besuchenden so mutig und entschlossen zur Seite steht ist eine, auf die wir stolz sind, und in der wir uns als Autonomes Zentrum nach dieser konkreten Bedrohung wieder wohl gefühlt haben.
Wir möchten uns auch für die vielen Menschen bedanken, die aus umliegenden Orten Solidarität mit uns gezeigt haben oder den Weg bis Aachen auf sich genommen haben, um uns sowohl auf der Straße als auch im AZ zu unterstützen, und auch denen Dank aussprechen, die Protestierenden warmes Essen und Getränke gereicht haben und alle zu jedem Zeitpunkt haben wissen lassen, dass sie niemals allein sind. Die Bilder der Aktionen gegen den Aufmarsch der Rechtsextremist*innen gehen derzeit um die Welt und machen nicht nur uns, sondern Menschen überall Mut.
Wir sind also wirklich unglaublich dankbar – und doch gibt es auch Dinge zu sagen, die wenig mit leichten Herzen, Dankbarkeit und Freude zu tun haben. Mehrere Dinge können zur selben Zeit wahr sein.
Denn die Freude und Leichtigkeit blieb uns im Hinblick auf die Berichterstattung teils verwehrt. Was wir und die Teilnehmenden der vielen Proteste gesehen haben, deckt sich nicht mit einer Berichterstattung in beispielsweise der Aachener Zeitung, die wir als spalterisch und unjournalistisch einordnen müssen. Wir alle sahen eine Stadt, die so geeint gegen Rechtsextremismus vorging, wie wir es uns kaum hätten erträumen können – die Proteste waren vielfältig. Das ist etwas, worauf man stolz sein kann, darf und auch sollte.
Leider lesen wir in der wichtigsten Zeitung der Stadt einen Bericht, der Protestierende und ihre Aktionsformen gegeneinander ausspielt. Man spricht von „zwei Gesichtern des Protests“, von „Störern“ und „Straftätern“, von „gewaltsamen Formen des Widerstands“. Die Zeitung übernimmt hier Aussagen der Polizei ohne Einordnung. Friedliche Formen des zivilen Ungehorsams so zu diffamieren ist nicht nur falsch, sondern stellt auch eine gefährliche Verschiebung des Diskurses nach rechts dar. Wir sprechen hier immerhin von Sitzblockaden und Gruppen, die im Angesicht von unverhältnismäßiger Polizeigewalt Protestlieder wie Bella Ciaogesungen haben. Die Gewalt ging am Samstag eindeutig von der Polizei aus, wie alle Anwesenden sehen konnten. Uns sind unzählige Protestierende bekannt, die mit Prellungen, Schmerzen und humpelnd nach Hause gingen, da Beamt*innen für ihren Protest auf sie einprügelten. Mindestens zwei Personen mussten im Krankenhaus behandelt werden; hunderte wurden für etwa sechs Stunden bei Minusgraden in einem Kessel festgesetzt. Diese Menschen haben nichts Falsches getan, indem sie sich Faschist*innen widersetzten.
Aber wir wissen, dass diese Menschen, die für unser aller Freiheiten und Rechte kämpfen, nie gern gesehen werden. Schon immer wurde Aktivist*innen vorgeworfen, sich zu heftig und zu laut zur Wehr gesetzt zu haben, und schon immer wurden diese Menschen durch Berichterstattung verteufelt, zum Feindbild aufgebläht und mit erhobenem Zeigefinger zu mehr Ruhe ermahnt. Schon immer wurden die Menschen, die ein gutes Leben für alle wollten, als Extremist*innen diffamiert und schon immer würde eben solche Berichterstattung die erkämpften Erfolge erst Jahre später würdigen und nie in Zusammenhang mit diesen Aktionen stellen. Auch Polizeigewalt und die fehlende kritische Einordnung von Presseaussagen der Polizei sind nichts neues. Wir sind deshalb nicht verwundert – und trotzdem enttäuscht.
Aber eben deshalb möchten wir einmal lauter sagen, schreien, singen: Wir sind heute stolz auf und dankbar für alle Gegendemonstrant*innen, ganz egal welches Mittel des Gegenprotests gewählt wurde – alle haben gemeinsam zu diesem Erfolg beigetragen und niemand war allein. Wir werden weiterhin daran glauben, dass wir gemeinsam und geeint Großes schaffen können und wir werden uns weiterhin nicht spalten lassen. Wir hoffen, dass wir alle viel Kraft aus den Aktionen, den Bildern und den Nachwirkungen des Wochenendes ziehen können.
Denn auch die Gefahren sind bei Weitem nicht gebannt. Wir rechnen mit weiteren Angriffen auf das Autonome Zentrum, vor allem aber auch auf Menschen in unserer Gesellschaft, die für rechte Akteur*innen Feindbilder darstellen. Nur Rechten nützt es also, wenn wir uns spalten lassen, statt weiterhin geeint, laut und entschieden gegen sie zu stehen. In diesem Sinne:
Alle zusammen gegen den Faschismus!
No pasarán!
Vielen Dank!
Autonomes Zentrum Aachen, 21.01.2025.
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