Aachen hatte vor 110 Jahren eine Yogurt-Centrale

Im Juni zeigt das Archivale des Monats ein Werbeplakat der Firma „Johannes Schirp Aachener Yoghurt-Centrale & Milchgeschäft“. Mit diesem Plakat bewarb die Firma im Juni 1913 ihre Hauptgeschäftsgegenstände – „Yoghurt · Milch“. Die Archivale des Monats stellt das Aachener Stadtarchiv so vor:

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erfreute sich sogenannte Gesundheitsmilch großer Beliebtheit. Gegen Brechdurchfall und Verdauungsstörungen wie auch als Muttermilch-Ersatz für Säuglinge wurde der Nutzen von „Backhausmilch“ propagiert. Benannt war sie nach ihrem Erfinder Alexander Backhaus (1865–1927). 

In Aachen übernahm die Firma „Nutricia“ den Alleinvertrieb. Die Gesellschaft „Nutricia“ bestand aus diversen Gesellschaftern, darunter mehreren Apothekern, agierte überregional und hatte um 1902 ihren Sitz in Berlin. 1905 wechselte die Verkaufsstelle für die Produkte von „Nutricia“ in das Haus an der Bismarckstraße 29 und wurde nun von dem Apotheker Fritz Boddin geleitet.

Neue Erkenntnis: Joghurt ist gesund

Neue Produkte wie Kefir und Joghurt, damals noch „Yoghurt“ geschrieben, wurden zusätzlich in das Portfolio aufgenommen. Bis Anfang des Jahrhunderts kannten die meisten Menschen in der westlichen Hälfte Europas Joghurt gar nicht.

Den gesundheitlichen Nutzen von Joghurt zeigten 1905 ein bulgarischer Natur- und Medizinwissenschaftler, Stamen Grigorow, und ein russischer Bakteriologe, Ilja Metschnikow. Die beiden Wissenschaftler beschäftigten sich mit der bakteriellen Zusammensetzung des Milchprodukts. Seit 1907 produzierten daraufhin städtische Molkereien vielfach Joghurt im Deutschen Reich. Über spezielle Geschäfte und Reformhäuser wurde das neue Produkt angeboten – so auch in Aachen. 

Apotheker Boddin zog sich schließlich ganz aus dem Geschäft in Aachen zurück und verkaufte dieses an Johannes Schirp, der ab Juni 1912 in wöchentlichen Anzeigen in den Tageszeitungen mit „Sanitäts-Milch, Kur- und Kinder-Milch, Kefyr, Yoghurt, Apotheker Fritz Boddin Nachf. (Inh. Johs. Schirp), Bismarckstr. 29“ warb.

Die Yogurt-Centrale befand sich zunächst in der Bismarckstraße 29 und zog später um in die Bismarckstraße 39. Da hat heute der deutsch-ukrainische Verein seine Zelte aufgeschlagen. Bild: Stadtarchiv Aachen SLG 211-1

Zum 12. November 1912 wurde in das Handelsregister beim Amtsgericht Aachen die Firma „Johannes Schirp Aachener Yoghurt-Centrale & Milchgeschäft“ mit Sitz in der Bismarckstraße eingetragen. Im darauffolgenden Juni 1913 warb diese neue Firma mit dem hier als Archivale des Monats gezeigten, prägnant gestalteten Plakat in Aachen für ihre Hauptgeschäftsgegenstände: „Yoghurt · Milch“. Im Mai 1914 wurde die Firma in „Johannes Schirp Milchanstalt Nutricia“ umbenannt, einen Monat später zog sie einige Häuser weiter, in das Haus Bismarckstraße 39

Dort befindet sich heute der Laden des Vereins der Ukrainer in Aachen (s. unten)

Ende des Betriebs durch den 1. Weltkrieg

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges verschwanden die Werbeanzeigen dieser Firma aus den Tageszeitungen. Dieser Krieg hatte auch auf den Vertrieb von Milchprodukten maßgebliche Auswirkungen. Im September 1918 wurde das Verkaufslokal in der Bismarckstraße nochmals als Milchausgabestelle für rationierte Milch genannt, aber schon bald darauf wechselte Johannes Schirp den Geschäftszweig völlig.

Unter dem 26. August 1920 vermerkt das Handelsregister den Eintrag für die Firma „Johannes Schirp in Aachen … Geschäftszweig: Tabakfabrik“. Im Februar 1921 ging diese Firma dann in der „Johannes Schirp GmbH“ auf, die ebenfalls Tabak herstellte. Die kurze Ära der Aachener Yoghurt-Centrale war nun endgültig Geschichte.


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