Das weiß auch noch nicht jede/r: Aachen hatte mal eine Radrennbahn, eine ziemlich große sogar. Die befand sich auf Krummerück, also etwa gegenüber dem heutigen Polizeipräsidium an der Trierer Straße (in Forst). Das Archivale des Monats – wird jeweils vom Stadtarchiv herausgegeben – zeigt einen vom Architekten Lambert Oligschläger 1928 gezeichneten Lageplan des Geländes der Radrennbahn Krummerück.
Bei der Erschließung von Akten der städtischen Armenverwaltung in preußischer Zeit, so teilt das Stadtarchiv mit, sei unerwartet ein besonderes Archivale aus dem Jahr 1928 entdeckt worden – nämlich ein Plan des Geländes der Radrennbahn Krummerück. Das Gelände befand sich in Forst bzw. in Brand im Bereich Driescher Hof.
Es scheint, dass im Stadtarchiv tatsächlich Dokumente abgelegt sind, von deren Existenz niemand eine Ahnung hat. Die also plötzlich gefunden werden. Man kann sich das nur schwer vorstellen, es muss wohl an der Masse der Schriftstücke liegen. Sie wurden offenbar im Archiv deponiert und im Laufe der Jahre vergessen. Tja.
Eine Akte der Armenverwaltung
Der Plan gelangte „in die Akte der Armenverwaltung“, wobei wir nicht wissen, was das sein soll: Armenverwaltung. Eine Vorform des Sozialamtes? Jedenfalls gelangte der Plan von der Radrennbahn in diese Akte und da wurde er jetzt wiedergefunden. Der Besitzer des Geländes, auf dem die Radrennbahn lag, war Dr. Jean-Paul Goossens. Und der bot das Gelände der Stadt zum Kauf an.
Aus diesem Angebot entwickelte sich ein so genanntes Kapitalgesuch, für dessen Bearbeitung eben die städtische Armenverwaltung zuständig war. Goossens brauchte Geld. Er wollte Kapital ansammeln, um den Aachener Betrieb der Firma Mannesmann-Mulag vollständig übernehmen zu können.
Diese Firma baute in Aachen „Benzinwagen“ (aka Autos) und fertigte Ersatzteile an.
Zusätzlich wollte Goossens eine englische Firma gewinnen, die den Standort in die Lage versetzen sollte, elektrisch betriebene Omnibusse zu bauen. Ganz schön fortschrittlich, dieser Goossens, so möchte man meinen.
Platz für 10.000 Zuschauer*innen
Wie sah die Radrennbahn denn nun aus? Das der Stadt zum Kauf angebotene Gelände mit der Radrennbahn umfasste 22 Morgen (ca. 70.000 m²), der aufgerufene Preis betrug 250.000 Reichsmark. Die ovale Radrennbahn, die von der 1924 gegründeten „Stadion-Aktiengesellschaft“ betrieben wurde, war im gleichen Jahr von der Baufirma Robert Grünzig in Eisenbeton gebaut worden.
Die Bahn war 400 m lang und etwa 9 m breit. Auf den Geraden hatte sie eine Höhe von 1,20 m, in den Kurven von 4,65 m. Auf den aufgeschütteten Sitz- und Stehplätzen rund um die Bahn hatten 10.000 Zuschauer*innen Platz.
Finanziell schwierige Lage
Am 24. August 1924 wurde die Radrennbahn eröffnet. Angesichts der getrübten wirtschaftlichen Gesamtlage war der Betrieb der Sportstätte, auf der sowohl Radrennen als auch Motorradrennen und Leichtathletikveranstaltungen stattfanden, aber von Beginn an finanziell schwierig. Die Stadt ließ ein Wertgutachten zu dem angebotenen Grundstück und den darauf befindlichen Anlagen erstellen. Die Anlage war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits in einem sehr schlechten Zustand, so dass die Stadt den Wert der Anlage auf nur 150.000 Reichsmark taxierte.
Finanzausschuss lehnt ab
Der städtische Finanzausschuss lehnte den Erwerb des Grundstücks in seiner Sitzung vom 23. November 1928 ab, wollte Goossens als Unternehmer aber in anderer Form gerne unterstützen. Daraufhin wurde die städtische Sparkasse gebeten, eine Beleihung des Grundstücks zu prüfen.
Der Sparkasse war die Beleihung von Objekten wie Rennbahnen jedoch satzungsgemäß untersagt und die Beleihung des Grundstücks wäre wegen seiner Beschaffenheit zu niedrig ausgefallen, um eine echte Hilfe für Goossens Vorhaben zu sein.

Im Vordergrund des Plans ist die Trierer Straße mit der damaligen Bebauung zu sehen. Von hier führt die damalige Krummerück-Allee zum gelb umrandeten Sportgelände.
In Grün ist die Grenze zwischen Forst und Brand eingezeichnet. Das „Fußball-Spielfeld“ war 1928 nicht mehr als eine Wiese, darüber ist die ovale Radrennbahn zu sehen, rechts daneben ist ein „Auto-Standplatz“ für die Besucher*innen eingezeichnet.
Alle Infos: Stadtarchiv Aachen
Plan: Stadtarchiv Aachen, PRZ 30-239 (Plan: fol. 63) bzw. PRZ 30-240.
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