Firma bietet schon 1913 elektrobetriebene Fahrzeuge an. In Aachen verzichtet man auf die Anschaffung.

Schade, schade. Es hätte alles so schön sein können: Im September 1913 erreichte die Gas- und Elektrizitätswerke der Stadt Aachen ein Schreiben der Accumulatoren-Fabrik AG aus Berlin (bitte lesen, es lohnt sich). Die Firma, deren Ingenieursabteilung sich damals in Köln befand, warb in dem Schreiben für einen „elektrischen Selbstfahrer“.

Das Schreiben pries die Vorzüge der elektrischen Wagen gegenüber den Benzinwagen. Elektrobetriebene Fahrzeuge hätten – verglichen mit dem „Motorwagen mit Explosionsmotor“- eine einfachere „Construktion“ und beständen aus weniger Teilen. Das historische Schreiben befindet sich heute im Aachener StadtarchivEs wurde als „Archivale des Monats“ übermittelt.

Weniger Abnutzung, kein Benzinverbrauch

Aufgrund der einfachen Bauweise – vor allem im Bereich der Kolben, Ventile, Kühler und Schaltgetriebe – nutze sich das E-Auto weniger ab, und „beim Kontroller“ müssten nur „im Laufe der Jahre [… Kontaktfinger]“ ersetzt werden. Öl werde gar nicht mehr benötigt, Schmiermittel nur in sehr geringem Maße. Und: „Der Gummiverbrauch ist beim elektrischen Wagen infolge des sanften und stossfreien Anfahrens ebenfalls wesentlich geringer als beim Wagen mit Explosionsmotor“, schrieb die Accumulatoren-Fabrik nach Aachen. 

Da kann man nicht „nein“ sagen, sollte man meinen. Doch genau das taten die Aachener. Auch die weiteren Vorteile machten ihnen offenbar die Bedeutung des Angebots nicht klar. Wie kann man so blind sein?

Der Batterieverschleiß könne anhand „der Betriebsverhältnisse genau im Voraus bestimmt werden“ und ein entsprechender Instandhaltungsvertrag sei bereits im Verkaufspreis inbegriffen. „Die Ladung der Batterien kann mittels vorgeschalteter Eisendrahtwiderstände, welche die Ladestromstärke selbsttätig regulieren, ohne Aufsicht erfolgen“, fügt die Firma an.

Auch sei der elektrische Wagen leichter zu bedienen und alle, die ein solches Fahrzeug besäßen, könnten ohne weitere Sicherheitsvorkehrungen an den üblichen Orten parken. Neben technischen Vorzügen sei auch der stetig steigende Benzinpreis ein Argument für den „elektrischen Selbstfahrer“: „Besonders erwähnenswert ist noch, dass augenblicklich der Preis des Benzins sehr gestiegen ist und nach Aussage von Fachleuten sich im Laufe der Zeit noch höherstellen wird“, wußte man schon damals in Köln. 

Aus dem Aachener Stadtarchiv erreicht uns das Archivale des Monats. Diesen Monat sehr erhellend und wieder ganz aktuell: Aachener Gas- und Elektrizitätswerke verzichteten 1913 auf die Anschaffung von E-Autos. Foto: Stadtarchiv Aachen, PRZ 29-26, fol. 167-179

Die USA als Vorbild 

Um die Modernität von E-Fahrzeugen zu unterstreichen, verwies die Accumulatoren-Fabrik auf die USA. So wären zu Beginn der 1910er-Jahre in Chicago bereits 2.500, im Staate New York etwa 7.000, in kleineren Städten wie Oklahoma 300 und in den gesamten Vereinigten Staaten rund 15.000 elektronische Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Unterstützt würde diese Entwicklung von nordamerikanischen Elektrizitätswerken, denn: „Jeder elektrische Wagen ist ein bedeutender und besonders günstiger Stromabnehmer.“ 

Für 6.100 Mark, heute ca. 37.000 Euro, wurde das damalige E-Auto, das eine Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h erreichen und bis zu 80 Kilometer weit fahren konnte, den Aachener Werken angeboten. 34 Pfennig pro Kilometer kalkulierte man 1913 für den Betrieb eines E-Fahrzeugs – sieben Pfennig günstiger als ein damaliger Benziner.

Trotz all der angepriesenen Vorzüge verzichteten die Aachener Gas- und Elektrizitätswerke auf die Anschaffung.

Quelle: Stadtarchiv Aachen. Auf der Internetseite des Stadtarchivs ist das Schreiben der Firma als PDF abrufbar: https://www.aachen.de/DE/kultur_freizeit/kultur/stadtarchiv/e-auto1913.pdf 

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