Die Weltmeisterschaft im Wüsten-Winter kommt jetzt richtig in Fahrt. Und auch wenn Katar ein autoritärer Staat ist und die Herrscherfamilie komplett das Sagen hat, dürfen wir uns doch erinnern an eine Stimme aus Katar, die rund um den ganzen Globus zu hören ist: Al Jazeera.
Es ist der einzige arabische Nachrichten-Sender, der uns phasenweise beeindruckt hat. Mitte der 90er Jahre fingen sie an, aus Doha (Hauptstadt von Katar) zu senden. Das war damals eine gigantische Sensation, die die Presseleute in den demokratischen Ländern aufhorchen ließ. „Was? Wo? In Katar? Wer oder was ist Katar?“, hieß es, die Älteren werden sich erinnern.
Das hatte es in der gesamten arabischen Welt bis dahin noch nie gegeben und hatte es auch nicht geben dürfen. Zum ersten Mal ließ man in der medialen Öffentlichkeit Menschen miteinander streiten, die total konträre Meinungen vertraten. Al Jazeera schlug ein wie eine Bombe. Man sah Israelis und Palestinenser in EINER Talkshow. Vorher: Un.vor.stellbar.
In einer Welt, die daran gar nicht gewöhnt war, wurden plötzlich im TV die Tabuthemen behandelt. Es wurde leidenschaftlich diskutiert, manchmal brüllte man sich an. Einmal konnte man sogar Gaddafi in der Sendung anrufen und ihm Fragen stellen. Und das taten dann einfache Menschen und fragten los. „Der Blick und der andere Blick“ hieß eine Sendung, das soll noch heute in den arabisch-sprechenden Ländern eine Redewendung sein.
Leute bekamen Sachen zu hören, die sie vorher nicht hören sollten. Die Menschen waren dankbar und werden wohl nie vergessen, dass das alles ihnen möglich wurde durch Katar, das den Sender zuließ und finanzierte. Bis heute.
Auch heute mag man als Journalist*in die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Kataris auf ihrem sehr eigenen Weg in die Zivilisation uns noch überraschen werden. Die damaligen Journalistinnen und Journalisten – es wurde ein weltweites Netz von Korrespondent*innen aufgebaut – waren oftmals ebenfalls Araber, sie hatten in England bei der BBC ihr Handwerk gelernt. Es waren Top-Leute, die aber aufgrund von Diskriminierungen (so geht das Gerücht) an die wirklich heißen Themen nicht rangelassen wurden. So haben sie ihren eigen Sender eröffnet und wollten „Voice of the Voiceless“ sein.
So war das in den 1990er Jahren, als die Medien in der arabischen Welt eigentlich nur Propaganda-Sprachrohr für die Regierenden waren, sonst nichts. Heute gibt es weitere Sender, es gibt das Internet mit Blogs und YouTube, Twitter und anderen Plattformen. Die Situation hat sich komplett geändert. Al Jazeera ist – aus welchem Grund auch immer – zweigeteilt, 2006 ging Al-Jazeera-English an den Start, berichtete aber weiter „aus der Region über die Region“.
In Gaza, in Afghanistan, zum arabischen Frühling und auch sonst hatten Al-Jazeera-Journalisten Zugänge zu Informanten, von denen man in Europa nur träumen kann. Vielleicht erinnert ihr euch daran, wie Tony Blair und George W. Bush den Sender Al Jazeera gehasst haben. Mittlerweile ist Aj Jazeera die Stimme Katars in der Welt, einige islamistische Journalisten wurden eingestellt, wie berichtet wird. Oft nicht unabhängig, manchmal wird unwidersprochen gegen Juden gehetzt.
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Der Sender Al Jazeera wird bei Wikipedia dargestellt. Wer mehr wissen will: https://de.wikipedia.org/wiki/Al_Jazeera
Und der Podcast „Geld, Macht, Katar“ ist absolut hörenswert. In mehreren Folgen wird informiert. Auch über die Geschichte den Senders Al Jazeera. https://www.ardaudiothek.de/sendung/geld-macht-katar/10800757/ Unbedingt anhören.
Vor 20 Jahren: Al Jazeera geht auf Sendung. https://www.deutschlandfunk.de/vor-20-jahren-al-jazeera-geht-auf-sendung-100.html