Für die Aachener Gruppe „Runder Tisch Klimanotstand“ teilt Laurenz Lehmann ein paar grundsätzliche Gedanken mit. Die Gruppe reagiert auf die Aufregung, die das Thema „Verkehr in Aachen“ in den letzten Wochen hervorgerufen hat.
Besonders am Umbau von Lütticher Straße und Ludwigsallee entzündeten sich hitzige Diskussionen. Dabei geht es um wegfallende Parkplätze, zu fällende Bäume, wegbrechende Kundschaft, ausreichend breite bestehende Radwege und den ganze Rest. Laurenz Lehmann schreibt:
Die Thematik bewegt die Menschen sehr. Wir möchten an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass es bei der Umverteilung von Straßenraum in Aachen nicht nur um die Umsetzung des Radentscheids geht, sondern um eine viel größere Herausforderung: Die Minderung von Treibhausgasemissionen und damit die Minderung von menschengemachten Auswirkungen auf unser Klima. Bei dieser Aufgabe sind alle gefragt, und wir alle müssen unseren Beitrag leisten.
32 Prozent (2018) der Aachener CO2-Emissionen (CO2-Äquivalente) sind auf den Verkehrsbereich zurückzuführen. Der Ausstoß im Verkehr ist seit 1990 um rund 19 Prozent gestiegen, wohingegen er in den anderen großen Bereichen „Strom“ und „Wärme“ um 37,8 Prozent bzw. 29,3 Prozent gesunken ist.

In Anbetracht dieser Zahlen müssen wir uns fragen, wie wir die Emissionen im Verkehrsbereich verringern und eine ökologische Verkehrswende einleiten können. Sicher ist, dass wir als Bürger*innen durch unser Verhalten die städtischen CO2 – Emissionen reduzieren können. Tatsächlich lässt sich das im Verkehrsbereich besonders einfach und schnell umsetzen. Im ersten Schritt sollte abgewogen werden, welche Wege mit starken Emissionen überhaupt erforderlich sind. Und dann alles dafür getan werden, dass sich Mobilität klimafreundlich verändert.
Konflikte, wie momentan an der Lütticher Straße, sollten wir nicht nur aus einer persönlich-kurzfristigen, sondern insbesondere aus einer klimatischen und umwelttechnischen Perspektive beleuchten. Im Endeffekt sollte es nicht heißen: Radwegbreite gegen Parkplätze gegen Bäume. Die Devise lautet vielmehr Kompromisse schließen und die Trendwende im Stadtverkehr einleiten. Wie können wir dies nun bewerkstelligen?
Die gesamte Verkehrsfläche ist so umzugestalten, dass zunächst die schwächsten Verkehrsteilnehmer, also alte Menschen, Menschen mit körperlichen Einschränkungen wie Geh- und Sehbehinderung und Kinder, geschützt werden und sich sicher fühlen können. Dafür gilt es breite und durchgehende Gehwege zu schaffen und ein ausgeglichenes Mit- und Nebeneinander von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden zu erwirken.
Die starke Nutzung der Bike-Sharing-Angebote sowie die stetig wachsende Anzahl an Lasten- und Elektrorädern zeigen die Freude der Aachener*innen am Radfahren. Dafür gilt es nun die passende Radinfrastruktur zu schaffen.
Klar ist, dass Fahrradfahrende sich durch breitere und vom Kfz-Verkehr getrennte Radwege sicherer fühlen.
Viele werden daher häufiger oder gar ganz auf das Auto verzichten. Beispiele aus dem In- und Ausland wie Münster und Maastricht zeigen, dass durch eine fuß- und radfreundliche Verkehrsgestaltung sowie ein umfangreiches ÖPNV-Angebot der Anteil des nicht-motorisierten Verkehrs deutlich ansteigt. Der ÖPNV in Aachen sollte daher massiv ausgebaut werden, Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr (MIV) haben und für alle bezahlbar sein.
Die Stadtplanung der letzten Jahrzehnte war auf den Autoverkehr fokussiert. Überall in der Stadt wird viel öffentlicher Raum für parkende Kfz genutzt. Jetzt hat ein unausweichlicher Wandel in der Verkehrs- und Stadtplanung begonnen, der die Flächen umverteilt. Dem motorisierten Individualverkehr (MIV) wird Raum entzogen und kommt dem Radverkehr, ÖPNV, Fußverkehr und dem Stadtgrün zugute.

Das ist der Beginn einer Veränderung, bei der wir alle aufgerufen sind mitzumachen.
Es handelt sich dabei nicht um einen gedankenlosen oder machtpolitischen Angriff auf Autofahrende. Im Gegenteil, es geht um die notwendige Einleitung einer ökologischen Verkehrswende, die letztendlich für uns alle einen großen Gewinn bedeutet. Sei es der Spaß an Bewegung im Freien oder die Förderung der eigenen Gesundheit durch körperliche Aktivität, Lärmvermeidung und saubere Luft.
Auch der positive Effekt von Stadtgrün auf das Lebensgefühl, die psychische Gesundheit und das Stadtklima ist nicht zu unterschätzen. Zudem könnte durch freiwerdende Parkflächen mehr öffentlicher Raum für Kultur und Gastronomie genutzt werden.
Wir müssen umweltbewusste, aktive Mobilität der gesamten Bevölkerung erreichen, um die Pariser Klimaschutzziele einhalten zu können. Nur so erhalten wir unsere Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen.